Gassenjungenlieder (Andere Gedichte)
Gassenjungenlieder. 1. Pst! Hör’ mal, Mädel! – Was rennst denn so? Hast du’s so eilig? – Ich bin ja froh, Endlich ein Weibsbild zu kapern! Frohsinn hab’ ich und junges Blut,
Kräftige Muskeln und stürmenden Mut An einem freilich wird’s hapern:
Ich hab’ keinen Groschen im Portemonnnaie – Da siehst? es ist leer – Ach herjehmineh! Bin ich ein struppiger Bengel! –
Ei was – du lächeln? Du giebst mir ’nen Schmatz? Da, nimm meinen Arm, mein teuerster Schatz! Trotz Schminke bist du ein Engel! 2. Ja, ja, ihr habt Recht; mir fehlt die Moral. Ich treib’ mich umher auf den Strassen, Rede mit Dirnen – o welcher Skandal! Und lumpe über die Massen!
Und doch – versprach ich niemals den Ring, Um schneller zum Ziele zu kommen; Nie schlau ich der Freunde Gattinnen fing, Wie ihr, ihr –- Braven und Frommen! Ich habe kein Weib, dem die Ehe ich brach,
Ich betrüg’ nicht die eigenen Kinder – Ich bin ja ein Lump – doch gemach! gemach! Vor euch bin ich wahrlich kein Sünder! 3. Hinter den Gärten auf düsterem Weg Wollen wir schleichen; Kann uns doch dort durch die Dunkelheit Kein Blick erreichen!
Komm, Liebchen! Küssen und scherzen können wir da In Seelenruh; Bäume und Sträucher, Sterne und Mond Gucken nur zu!
Komm, Liebchen! Musst ja erst morgens zu hause sein –- Wir haben ja Zeit! – Keine, die bei mir in dunkler Nacht, Hat’s je bereut!
Komm, Liebchen! 4. Nee, sag’ mal, Mieze. was hast du denn heut’? Du stinkst ja mit einmal zehn Meilen weit Nach Patchouli – unausstehlich! Und den seidenen Rock und die pikfeine Taille!
Ei sag’ mal blos, du kleine Canaille, Seit wann schwimmst in Gold du so selig? Ach so!? – hat vielleicht der dös’ge Herr Graf, Den gestern Mittag ich mit dir traf, Dich für so viel Mammon erhandelt?
Ich nehm’s dir nicht übel: man braucht ja Geld! Doch dass dir dieser Dummkopf gefällt –! Nee, Mieze, hast du dich verwandelt! 5. »Du läufst ja wie ein Schmutz?nk herum – So zerlumpt; – man muss sich ja schämen –« - Ach papperlapapp! Seid nicht so dumm! Ich werde darob mich nicht grämen!
Die Kleidung soll Schutz gegen Regen und Schnee Und Hagel und Kälte gewähren – In Julihitze könnt’ ich getrost Den ganzen Humbug entbehren! Ihr freilich wandelt in Keuschheit und Frack
Excellent in Reinheit und Feinheit; Da drin im Herzen sitzt euch jedoch Schmutz, Lumperei und Gemeinheit! 6. Waaas? – Ach verflucht! Der Gendarm! – Papiere? Wo sind die denn blos? – Ich hab’ sie nicht hier; Ich hol’ sie schnell! – »Flausen! Ich arretiere
Sie! Marsch! Los! - – Sie können wohl nicht dafür?« Ach lassen Sie sich doch gleich morgen begraben! Wenn ich nicht mal in der freien Natur Kampieren soll können im Strassengraben,
Dann pfeif’ ich auf die ganze Kultur!
Leonhard Wetzlar.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:58 von 2rhyme
Autor: Die zehnte Muse
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