Epistel an Susalis (Andere Gedichte)
Epistel an Susalis. Im Rosenmonath 1790. Susalis, seufzest du wieder! Birgt sich die Sonne des Glücks Abermahls unter ein Wölkchen? Siehest du trauriges Blicks
Auf die blühende Rose? Ach, ich hatte sie lieb, Eh’ der kommende Frühling Ihre Knospe noch trieb. Ich lobsinge dem Schöpfer,
Daß er leben mich ließ; Denn wir wissen es alle, Rosendüfte sind süß An der stützenden Krücke Dem vermagerten Greis,
Unterm Haare wie Silber Oder glänzendes Eis. Ich, ein pures Gerippe Überzogen mit Haut, Freue mich über die Rose,
Die der Morgen bethau’t. Und der Abend beregnet. Ich vergesse darob Hundert künftige Sorgen, In der Seele voll Lob;
Dünke mich jünger, gesünder, Fühle mich stärker, im Geist; Werde mit lieblichem Honig Lächelnder Hoffnung gespeist; Glaube noch bessere Zeiten. — —
Susalis, glaube mir gleich, Mache durch nagenden Kummer Deine Wange nicht bleich, Und dein Auge verloschen. Hast ja Kinder, die dich
Fürchten, lieben, und ehren; Hast ja Kinder, die sich Grämen ums Leben der Mutter, Wann die Mutter sich grämt; Hast’s erfahren, wie endlich
Seiner Laune sich schämt, Seines Wolkenverkriechens, Dein oft mürrisches Glück. Darum wende nicht traurig Deinen schwimmenden Blick
Von dem Rosengeländer. Ist der Garten nicht dein, Sind doch unter den Rosen All’ die süßesten dein. Denn da blühen viel tausend,
Die bald müssen verblühn, Brich, und heiße den Mißmuth Von der Stirne entfliehn! Anne Luise Karschinn.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:52 von 2rhyme
Autor: Susanne von Bandemer
Quelle: de.wikisource.org
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