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Der Spiegel (Stefan George) (Andere Gedichte)

DER SPIEGEL


Zu eines wassers blumenlosem tiegel
Muss ich nach jeder meiner fahrten wanken.
Schon immer führte ich zu diesem spiegel
All meine träume wünsche und gedanken

Auf dass sie endlich sich darin erkennten –

Sie aber sahen stets sich blass und nächtig:
›Wir sind es nicht‹ so sprachen sie bedächtig
Und weinten wenn sie sich vom spiegel trennten.

[79]

Auf einmal fühlt ich durch die bitternisse

Und alter schatten schmerzliches vermodern

Das glück in vollem glanze mich umschweben.
Mir däuchte dass sein arm mich trunknen wiegte ·
Dass ich den stern von seinem haupte risse
Und dann gelöst mich ihm zu füssen schmiegte.

Ich habe endlich ganz in wildem lodern

Emporgeglüht und ganz mich hingegeben.

Ihr träume wünsche kommt jezt froh zum teiche!
Wie ihr euch tief hinab zum spiegel bücket!
Ihr glaubt nicht dass das bild euch endlich gleiche?

Ist er vielleicht gefurcht von welker pflanze ·

Gestört von späten jahres wolkentanze?
Wie ihr euch ängstlich aneinander drücket!
Ihr weint nicht mehr doch sagt ihr trüb und schlicht
Wie sonst: ›wir sind es nicht! wir sind es nicht!‹



Eingetragen am 08.11.2011 09:33:21 von 2rhyme
Autor: Stefan George
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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