Des Sängers Werbung (Andere Gedichte)
Um die bunten Scheiben webet Mailicht, dämmernd süß und bang, Durch die Kemenate bebet Lautenschlag und Minnesang.
Und die Maid mit holdem Zagen Blickt zum Sänger still empor, Wonnig wie aus allen Sagen Tönt sein Lied ihr an das Ohr: „Meines Schlosses lichte Wände
Spiegeln freundlich sich im Rhein Und aus grünem Rebgelände Schaut es weit in’s Land hinein. Diener hab’ ich und Vasallen, In den Truhen edles Erz,
Säulenstolze, hohe Hallen Und ein krankes, wundes Herz. Aus den Ahnenbildern schauen Ihres Stammes letzten Mann Bange Augen schöner Frauen
Vorwurfsvoll und fragend all; Daß ich nicht mehr einsam weile Bei des Lenzes Hochzeitsluft, So erhör mein Flehen, heile Meine sehnsuchtskranke Brust!“
Mit dem letzten Ton der Laute Schweigt des blonden Knaben Mund; Enger schmiegt sich all die Traute Kosend der getreue Hund; Nach dem schönen Sänger wendet
Innig sie das Aug’ empor, Und ein ganzer Himmel sendet Seine Strahlen draus hervor. „Nicht dein Schloß am grünen Rheine Lockt mich, nicht dein edles Erz,
Nicht Gelände, reich an Weine, Mich erbarmt dein wundes Herz. Küssen will ich manche Stunde Deinen Liedermund so warm, Daß dein krankes Herz gesunde
In der Liebe weichem Arm.“
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:26 von 2rhyme
Autor: Die Gartenlaube
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org
|