Erinnerungen eines alten Sacks (Liebesgedichte)
Sehnsucht der Erinnerung
Ach, wie schön wäre es noch einmal bei einem jungen Weibe zu liegen, sich ganz eng an ihren festen Leib, an die warme Haut anzuschmiegen, ihren süßen Duft einzusaugen und das Gesicht in ihr weiches Haar zu drücken. Doch leider: Es ist zu spät! Was dem Knaben gelang, wird dem Greis nicht glücken.
Die alten Augen sehen noch, was sie schon damals in der Jugend entzückte, der Kopf erinnert sich noch daran, was den jungen Mann am Weibe berückte. Die Erinnerung an Liebreiz, an Liebesrausch und genussvolle Liebeswonnen, sie ist noch wach! Da sitzen die Alten und schauen und lächeln versonnen.
Da geht den Alten auf ihrer Bank durch ihre alten Köpfe die alte Mär: Vom alten Hunnen-König und seiner jungen Braut. Er liebte sie sehr. Doch in ihren weißen Armen, noch in der Wallung der Hochzeitsnacht, starb er im Ehebett. Die stürmische Liebe hatte ihn umgebracht.
Ihre Leidenschaft ist den Alten schon lange voraus ins Grab gewankt, Die Krone der Schöpfung hat längst vom Throne der Liebe abgedankt. Ihre Knochen sind morsch, die Gehirne weich, die Lenden lange lahm, die Gelenke knirschen, die Gebisse klappern, die Jugend ging, das Alter kam.
Was den Alten geblieben ist, ist ihre Erinnerung und ihre Sehnsucht danach, was einst war und wie sich stolz ihre Jugend ungestüm freie Bahn brach. Doch war es wirklich so? Was ist Erinnerung, was eitle Einbildung der Alten? Fröhliche Jugend durchtobt die Natur, vorbei an den traurigen, müden Gestalten.
Vorbei! Vorbei! Lange schauen sie ihnen nach, den verführerischen Figuren, die freizügig, fröhlich, sorglos jubelnd ziehen durch des Frühlings grüne Fluren. Dahin! Dahin! Was einst Lust war ist heute nur Last oder auch nur Verdauung. Altersweise, altersmüde, altersschwach bleibt den Alten nur die: Weltanschauung!
Felix Ferdinand Federstilz, 2019
Eingetragen am 30.08.2022 17:30:45 von Federstilzchen
Autor: Jens Wohlkopf
Quelle: Eigenes Gedicht
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