Bürgerlied (Andere Gedichte)
Bürgerlied. Windet zum Kranze die goldenen Aehren Flechtet auch blaue Cyanen hinein, Freude soll jedes Auge verklären, Denn die Königin ziehet ein,
Die Bezähmerin wilder Sitten, Die den Menschen zum Menschen gesellt, Und in friedliche feste Hütten Wandelte das bewegliche Zelt. Scheu in des Gebürges Klüften
Barg der Troglodyte sich, Der Nomade ließ die Triften Wüste liegen wo er strich, Mit dem Wurfspieß, mit dem Bogen Schritt der Jäger durch das Land.
Weh dem Fremdling den die Wogen Warfen an den Unglücksstrand! Und auf ihrem Pfad begrüßte Irrend nach des Kindes Spur, Ceres die verlaßne Küste,
Ach, da grünte keine Flur! Daß sie hier vertraulich weile, Ist kein Obdach ihr gewährt, Keines Tempels heitre Säule Zeuget, daß man Götter ehrt.
Keine Frucht der süßen Aehren Lädt zum reinen Mahl sie ein, Nur auf gräßlichen Altären Dorret menschliches Gebein. Ja, so weit sie wandernd kreiste,
Fand sie Elend überall, Und in ihrem großen Geiste Jammert sie des Menschen Fall. Find ich so den Menschen wieder, Dem wir unser Bild geliehn,
Dessen schöngestalte Glieder Droben im Olympus blühn? Gaben wir ihm zum Besitze Nicht der Erde Götterschoos, Und auf seinem Königsitze
Schweift er elend, heimatlos? Fühlt kein Gott mit ihm Erbarmen, Keiner aus der Selgen Chor Hebet ihn mit Wunderarmen Aus der tiefen Schmach empor?
In des Himmels selgen Höhen Rühret sie nicht fremder Schmerz, Doch der Menschheit Angst und Wehen Fühlet mein gequältes Herz. Daß der Mensch zum Menschen werde,
Stift er einen ewgen Bund Glaubig mit der frommen Erde, Seinem mütterlichen Grund, Ehre das Gesetz der Zeiten Und der Monde heilgen Gang,
Welche still gemessen schreiten Im melodischen Gesang. Und den Nebel theilt sie leise Der den Blicken sie verhüllt, Plötzlich in der Wilden Kreise
Steht sie da, ein Götterbild. Schwelgend bei dem Siegesmahle Findet sie die rohe Schaar, Und die Blutgefüllte Schaale Bringt man ihr zum Opfer dar.
Aber schaudernd, mit Entsetzen, Wendet sie sich weg und spricht: Blutge Tigermahle netzen Eines Gottes Lippen nicht. Reine Opfer will er haben,
Früchte, die der Herbst bescheert, Mit des Feldes frommen Gaben Wird der Heilige verehrt. Und sie nimmt die Wucht des Speeres Aus des Jägers rauher Hand,
Mit dem Schaft des Mordgewehres Furchet sie den leichten Sand, Nimmt von ihres Kranzes Spitze Einen Kern, mit Kraft gefüllt, Senkt ihn in die zarte Ritze,
Und der Trieb des Keimes schwillt – Und mit grünen Halmen schmücket Sich der Boden alsobald, Und so weit das Auge blicket Wogt es wie ein goldner Wald.
Lächelnd segnet sie die Erde, Flicht der ersten Garbe Bund, Wählt den Feldstein sich zum Heerde, Und so spricht der Göttinn Mund: Vater Zeus, der über alle
Götter herrscht in Aethers Höhn! Daß dieß Opfer dir gefalle, Laß ein Zeichen jetzt geschehn! Und dem unglückselgen Volke, Das dich Hoher! noch nicht nennt,
Nimm hinweg des Auges Wolke, Daß es seinen Gott erkennt! Und es hört der Schwester Flehen Zeus auf seinem hohen Sitz, Donnernd aus den blauen Höhen
Wirft er den gezackten Blitz. Prasselnd fängt es an zu lohen, Hebt sich wirbelnd vom Altar, Und darüber schwebt in hohen Kreisen sein geschwinder Aar.
Und gerührt zu der Herrscherin Füßen Stürzt sich der Menge freudig Gewühl, Und die rohen Seelen zerfließen In der Menschlichkeit erstem Gefühl, Werfen von sich die blutige Wehre,
Oeffnen den düstergebundenen Sinn, Und empfangen die göttliche Lehre Aus dem Munde der Königin. Und von ihren Thronen steigen Alle Himmlischen herab,
Themis selber führt den Reigen, Und mit dem gerechten Stab Mißt sie jedem seine Rechte, Setzet selbst der Grenze Stein, Und des Styx verborgne Mächte
Ladet sie zu Zeugen ein. Und es kommt der Gott der Esse, Zeus erfindungsreicher Sohn, Bildner künstlicher Gefäße, Hochgelehrt in Erzt und Thon.
Und er lehrt die Kunst der Zange Und der Blasebälge Zug, Unter seines Hammers Zwange Bildet sich zuerst der Pflug. Und Minerva, hoch vor allen
Ragend mit gewichtgem Speer, Läßt die Stimme mächtig schallen Und gebeut dem Götterheer. Feste Mauren will sie gründen, Jedem Schutz und Schirm zu seyn,
Die zerstreute Welt zu binden In vertraulichem Verein. Und sie lenkt die Herrscherschritte Durch des Feldes weiten Plan, Und an ihres Fußes Tritte
Heftet sich der Grenzgott an, Messend führet sie die Kette Um des Hügels grünen Saum, Auch des wilden Stromes Bette Schließt sie in den heilgen Raum.
Alle Nymphen, Oreaden, Die der schnellen Artemis Folgen auf des Berges Pfaden, Schwingend ihren Jägerspieß, Alle kommen, alle legen
Hände an, der Jubel schallt, Und von ihrer Aexte Schlägen Krachend stürzt der Fichtenwald. Auch aus seiner grünen Welle Steigt der Schilfbekränzte Gott,
Wälzt den schweren Floß zur Stelle Auf der Göttinn Machtgebot, Und die leichtgeschürzten Stunden Fliegen ans Geschäft, gewandt, Und die rauhen Stämme runden
Zierlich sich in ihrer Hand. Auch den Meergott sieht man eilen, Rasch mit des Tridentes Stoß, Bricht er die granitnen Säulen Aus dem Erdgerippe los,
Schwingt sie in gewaltgen Händen Hoch wie einen leichten Ball, Und mit Hermes dem behenden Thürmet er der Mauren Wall. Aber aus den goldnen Saiten
Lockt Apoll die Harmonie, Und das holde Maaß der Zeiten Und die Macht der Melodie. Mit neunstimmigem Gesange Fallen die Kamönen ein,
Leise nach des Liedes Klange Füget sich der Stein zum Stein. Und der Thore weite Flügel Setzet mit erfahrner Hand Cybele und fügt die Riegel
Und der Schlösser festes Band, Schnell durch rasche Götterhände Ist der Wunderbau vollbracht, Und der Tempel heitre Wände Glänzen schon in Festes Pracht.
Und mit einem Kranz von Myrten Naht die Götterkönigin, Und sie führt den schönsten Hirten Zu der schönsten Hirtin hin. Venus mit dem holden Knaben
Schmücket selbst das erste Paar, Alle Götter bringen Gaben, Reiche, den Vermählten dar. Und die neuen Bürger ziehen, Von der Götter selgem Chor
Eingeführt, mit Harmonieen In das gastlich ofne Thor, Und das Priesteramt verwaltet Ceres am Altar des Zeus, Segnend ihre Hand gefaltet
Spricht sie zu des Volkes Kreis. Freiheit liebt das Thier der Wüste, Frei im Aether herrscht der Gott, Ihrer Brust gewaltge Lüste Zähmet das Naturgebot,
Doch der Mensch, in ihrer Mitte, Soll sich an den Menschen reihn, Und allein durch seine Sitte Kann er frei und mächtig seyn. Windet zum Kranze die goldenen Aehren,
Flechtet auch blaue Cyanen hinein, Freude soll jedes Auge verklären, Denn die Königin ziehet ein, Die uns die süße Heimat gegeben, Die den Menschen zum Menschen gesellt,
Unser Gesang soll sie festlich erheben, Die beglückende Mutter der Welt. SCHILLER.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:07 von 2rhyme
Autor: Friedrich Schiller
Quelle: de.wikisource.org
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