An die Dichterinn von Karl Hadermann (Andere Gedichte)
An die Dichterinn von Carl Hadermann. „Que c’est un fatal présent du cieul qu’une ame sensible! Celui qui l’a reçu, doit s’attendre à n’avoir que peine & douleur sur la terre.“ Nouv. Heloise, Part. I Lett. XXVI. Singe, Sappho, deine Seele Und des Freundes Seel’ in Ruh! Bebend hör’ ich, Philomele, Deinen sanften Klagen zu. –
Welche Glut hebt meinen Busen: Rauschet mir der Helikon? Wohl! mich fast die Wuth der Musen, Ich begleite deinen Ton! Wie! ich dürft’ ihn nicht begleiten,
Wenn mein Herz in Rührung bricht! Sappho, kenn’ ich deine Leiden, Deine stille Thränen nicht? Hab’ ich nicht in finstern Stunden, Wann der Schmerz dein Herz durchwühlt,
Deinen Schmerz mit dir empfunden, Was du fühltest, mitgefühlt? – Ist es wahr, daß schönen Seelen Selten Glück und Ruhe lacht? Sind Klarissen und Pamelen
Nur Cypressen zugedacht? Schmelzen darum weiche Herzen In der Liebe süßen Weh’n, Um in Thränen und in Schmerzen Und in Stürmen zu vergehn?
Ist es wahr, ? Kind der Musen, Was der Genfer Bürger lehrt: Wehe dem, in dessen Busen Der Empfindung Flamme zehrt! Auf empörten Ozeanen
Steuert er sein schwaches Schiff, Und in wüthenden Orkanen Scheitert er an jedem Riff. Wie in Inseln fremder Seen, Findet er sich hier und dort,
Wo ihn Menschen nicht verstehen, Nirgends an dem rechten Ort. Wo den Thoren Blumen sprießen, Wo Fortunas Würfel fällt, Sehnt er sich nach Paradiesen
Seiner ideal’schen Welt. Nur in seinen Träumen windet Ihm die Freude ihren Kranz; Nur in Fabelwelten findet Er der heilgen Wahrheit Glanz.
Nicht für diese Welt geboren, Wo ihn Ruh’ und Wonne fliehn, Sehnet er sich nach den Horen Einer schönern Zukunft hin. Seiner ersten Blüthenstunden
Lächelndes Arkadia, Was sein junges Herz empfunden, Was sein junges Auge sah, Ist, was in der weiten Ferne Seiner Vorzeit ihn entzückt;
Aber alle goldnen Sterne Sind der Gegenwart entrückt. Sehnend schaut er nach dem Bilde Der Vergangenheit zurück; Weinend wirft er im Gefilde
Dunkler Zukunft seinen Blick. So versiegt des Lebens Welle, Ohne daß sein Durst gekühlt, Bis ihn an des Orkus Schwelle Sanft des Todes Hauch umspielt. – –
Sappho, Tochter stiller Leiden, Philosophen sagen viel: Hängen wir an Thränenweiden Darum unser Saitenspiel, Weil in seiner Pappeln Wehen
Rousseau eremitisch klagt, Und die Menschen zu verstehen Nicht verlanget und nicht wagt? ?Sieh Auroras Purpur wallen, Sieh Selenes Dämmerschein!
Höre Serenaden schallen In der Flur, im Thal und Hain! Athme Floras süße Düfte! Schmecke Ceres Lebenssaft! Fühl’ im Säuseln linder Lüfte
Gott, Natur und ew’ge Kraft! Ruh’ am Quell der Hippokrene, Wenn dein Herz in Träumen glüht, Sappho, wo die Welt die Thräne, Einsam hingeweint nicht sieht.
Wo die Phantasie die Höhen Heil’ger Ideale mißt, Und in ihres Himmels Wehen Erd’ und Zeit und Raum vergißt. Schwebe du auf Adlers Flügeln,
Schwebe auf zum Sternenchor, Zu den Licht umstrahlten Hügeln Der Vollkommenheit empor! Folge jenem edlen Streben Und dem Drang, der dich ergreift; Wenn auch schon in diesem Leben Nicht zur Frucht die Blüthe reift. ? dann wird in Ungewittern Und gedrückt von Misgeschick, Sängerinn, dein Herz nicht zittern,
Lächeln noch dein Feuerblick. In des Sturmes grausem Wüthen Hebet dich das Hochgefühl Von der Tugend ew’gem Frieden Und der Sturm wird dir ein Spiel.
Meine Sappho, dich zu sehen In des Unglücks öder Nacht; Auf Leukades Felsen stehen, Wo kein Stern der Hoffnung lacht! Welch ein Schauspiel! – Aber beben
Wird des Freundes Seele nicht; Seh’ ich nicht den Kranz schon schweben, Den die Tugend für dich flicht? – Ach, vielleicht an fernen Seen, Die ein Oberon dir zeigt, Wird dein Blick die Sonne sehen, Die sich hier für dich geneigt. Einsam rühr’ ich dann die Saiten, Sappho, wenn dein sanftes Bild, Wie ein Traum aus vor’gen Zeiten
Deines Sängers Seele füllt.
Eingetragen am 08.11.2011 09:32:59 von 2rhyme
Autor: Susanne von Bandemer
Quelle: de.wikisource.org
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