Die weiße Blume (Andere Gedichte)
In Vaters Garten heimlich steht Ein Blümchen traurig und bleich; Der Winter zieht fort, der Frühling weht, Bleich Blümchen bleibt immer so bleich.
Die bleiche Blume schaut Wie eine kranke Braut. Zu mir bleich Blümchen leise spricht: Lieb Brüderchen, pflücke mich! Zu Blümchen sprech ich: Das thu’ ich nicht,
Ich pflücke nimmermehr dich; Ich such’ mit Müh und Noth Die Blume purpurroth. Bleich Blümchen spricht: Such’ hin, such’ her, Bis an deinen kühlen Tod,
Du suchst umsonst, find’st nimmermehr Die Blume purpurroth; Mich aber pflücken thu’, Ich bin so krank wie du. So lispelt bleich Blümchen, und bittet sehr, –
Da zag’ ich, und pflück’ ich es schnell. Und plötzlich blutet mein Herze nicht mehr, Mein inneres Auge wird hell. In meine wunde Brust Kommt stille Engellust.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:44 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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