Du warst ein blondes Jungfräulein, so artig (Andere Gedichte)
Du warst ein blondes Jungfräulein, so artig, So niedlich und so kühl – vergebens harrt’ ich Der Stunde, wo dein Herze sich erschlösse, Und sich daraus Begeisterung ergösse –
Begeisterung für jene hohen Dinge, Die zwar Verstand und Prosa achten g’ringe, Für die jedoch die Edlen, Schönen, Guten Auf dieser Erde schwärmen, leiden, bluten. Am Strand des Rheins, wo Rebenhügel ragen,
Ergingen wir uns einst in Sommertagen. Die Sonne lachte; aus den liebevollen Kelchen der Blumen Wohlgerüche quollen. Die Purpurnelken und die Rosen sandten Uns rothe Küsse, die wie Flammen brannten.
Im kümmerlichsten Gänseblümchen schien Ein ideales Leben aufzublühn.
Du aber gingest ruhig neben mir, Im weißen Atlaskleid, voll Zucht und Zier, Als wie ein Mädchenbild gemalt von Netscher;
Ein Herzchen im Corset wie’n kleiner Gletscher.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:46 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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