Minneklage (Andere Gedichte)
Einsam klag ich meine Leiden, Im vertrauten Schooß’ der Nacht; Frohe Menschen muß ich meiden, Fliehen scheu wo Freude lacht.
Einsam fließen meine Thränen, Fließen immer, fließen still; Doch des Herzens brennend Sehnen Keine Thräne löschen will. Einst ein lachend muntrer Knabe
Spielt’ ich manches schöne Spiel, Freute mich der Lebensgabe, Wußte nie von Schmerzgefühl. Denn die Welt war nur ein Garten, Wo viel bunte Blumen blüh’n,
Wo mein Tagwerk Blumen-warten, Rosen, Veilchen und Jasmin. Träumend süß auf grüner Aue Sah ich Bächlein fließen mild; Wenn ich jetzt in Bächlein schaue,
Zeigt sich mir ein bleiches Bild. Bin ein bleicher Mann geworden, Seit mein Auge sie gesehn; Heimlich weh ist mir geworden, Wundersam ist mir gescheh’n.
Tief im Herzen hegt’ ich lange Englein stiller Friedensruh; Diese flohen zitternd, bange, Ihrer Sternenheimath zu. Schwarze Nacht mein Aug’ umdüstert’,
Schatten drohen feindlich grimm; Und im Busen heimlich flüstert Eine eigen fremde Stimm’. Fremde Schmerzen, fremde Leiden Steigen auf mit wilder Wuth,
Und in meinen Eingeweiden Zehret eine fremde Glut. Aber daß in meinem Herzen Flammen wühlen sonder Ruh, Daß ich sterbe hin vor Schmerzen –
Minne sieh! das thatest du!
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:29 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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