Deutschnationaler Parteitag (Andere Gedichte)
Deutschnationaler Parteitag Von Theobald Tiger Das gibt es noch. Nach dieser Zeit, nach so viel langen Jahren stehn voller Schwung und voller Schneid die Herrn, die schuldig waren.
Steig ab, steig ab vom Pegasus und laß sie uns betrachten, die all noch leben, bis zum Schluß, nach soundso viel Schlachten: Da ist zum ersten der würdige Gehrock von Herrn Trauben,
der bat den Herrn, ihm zu helfen von seinem Unglauben. Aber der Herr sprach: „Nein. Gottlieb, das tu ich nicht; ich kann dir nicht helfen bei so einem Gesicht!“ Da ist zum zweiten Herr Helfferich, ein feiner Finanzmann, der unterschätzte den Angeln, den Jingo und den Franzmann.
Aber es kommt da leider kein Zivilist und kein Soldat rum: diese beiden sind – weiß Gott – ein par nobile fratrum. Auf deutsch: wir wollen uns freuen, daß wir zwei solcher Kerle haben! Dann aber tät uns Freiherr von Lorringhoven erlaben. Und er verübte eine kleine Katzenmusik
auf die verfluchte und gottverdammte Republik. Weil man nicht einmal mehr – so geht das nicht weiter – schinden dürfe seine geliebten Landarbeiter! Und sie sprachen alle viel vom alten preußischen Geist. Ich weiß nicht genau, was das eigentlich heißt.
Wahrscheinlich ist das so ein Ausdruck für Laien für den Geist aus den guten pommerschen Schnapsbrennereien. Und unter Absingung von verschiednen frumben Liedern ging auseinander dieser Verein von Schützenbrüdern. Steig auf, steig auf - der Pegasus
will laufen, laufen, laufen! Er stand nur, weil er durchaus muß, aus diesem Quell zu saufen. Die Quelle ist ein trübes Loch. Komm, neues deutsches Leben!
Die gibt es noch. Die gibt es noch. Und soll es nicht mehr geben!
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:26 von 2rhyme
Autor: Kurt Tucholsky
Quelle: de.wikisource.org
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