Ausblick (Tucholsky) (Andere Gedichte)
Ausblick Von Theobald Tiger Wenn ick mir so die Welt bekieke, besonders die am Pankefluß, den Straßenkampf mit Tanzmusike, den Schiebetrott des Spartakus …
Lieg ich des Morgens still im Bettchen, und kommt Mama auf leisen Zehn mit unserm guten Morgenblättchen –: Ick trau mir jar nich hinzusehn! Der Pole stiehlt zu günstigen Zeiten,
in Rußland stiehlt der Bolschewik; es stiehlt sich trotz der großen Pleiten noch mancher in die Politik. Im Kriege sah man ihn verfechten das „Siegen oder Untergehn“!
Heut donnert er von Bürgerrechten – Ick trau mir jar nich hinzusehn! Und wählt nicht auch die liebe Claire (längst ist die Süße zwanzig Jahr!) im großen deutschen Frauenheere?
Wie dünkt mich dieses wunderbar! Was kümmert sie der ganze Bettel – sie fragt mich ängstlich: Wähl ich den? Und dann nimmt sie den falschen Zettel – Ick trau mir jar nich hinzusehn!
Und kurz und gut: Der ganze Rummel hängt aller Welt zum Halse raus. Sie schätzt den Schummel und den Bummel und zieht sich keine Lehre draus. Wir danken für des Aufruhrs Gaben!
So mußt es in die Binsen gehn. Nur Arbeit füllt die leeren Waben! Und wenn wir das begriffen haben, trau ick mir wieder hinzusehn!
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:02 von 2rhyme
Autor: Kurt Tucholsky
Quelle: de.wikisource.org
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