Der Vogt von Hornberg (Andere Gedichte)
Der Vogt von Hornberg. In drei Romanzen. 1. In jener Zeiten Schwere, Wo Luthers fromme Lehre Die uns zu Gottes Ehre Der theure Brenz gebracht,
Noch hülflos in der Wiege Bedrängt vom schweren Kriege, Geängstet ward vom Siege Der span’schen Heeresmacht: Da hat es sich begeben,
Daß noch ein rechtes Leben, Ein muthiges Bestreben Im Dörflein Gutach war. Dort lehrte noch zur Stunde Mit seinem freien Munde,
Aus seines Herzens Grunde, Ein Pfarrer fromm und klar. So stand er ohne Sorgen, An einem Sonntagsmorgen Im Kanzelstuhl geborgen,
Um den die Menge wogt: Da kommt mit raschen Schritten In andrer Hörer Mitten Durch’s Kirchenthor geschritten Des Hornbergs neuer Vogt.
„’S ist keiner von den Bösen! Jedoch den Text ihm lesen, Mag doch nicht übel wesen!“ Der Pfarrer bei sich spricht: Er fordert die verdammten,
Unglaubigen Beamten, Die all’ der Höll’ entstammten, Vor Gottes Strafgericht. Als er der langen Predigt Mit Poltern sich entledigt,
Für Schweiß und Müh’ entschädigt, Steigt er vergnügt herab; Ihm naht der Vogt mit Nicken, Mit Gruß und Händedrücken: „Laßt euch zu Mittag blicken,
Ehrwürd’ger, schlagt’s nicht ab!“ Was ist’s? er muß wohl kommen! Er saß und aß beklommen, Doch als er eingenommen Den guten Neckarwein,
Und ihn der Vogt von Herzen Ergötzt mit ehrbar’n Scherzen, Wollt’ ihn schon reu’n und schmerzen Das übermäß’ge Schrei’n.
Behaglich war es Beiden; Da sprach der Vogt bei’m Scheiden Zuletzt: „Herr! könnt ihr’s meiden, So predigt nicht so streng! Das Schimpfen und das Schelten, Glaubt mir, es frommet selten,
Und wem es just soll gelten, Dem macht’s um’s Herz nicht eng.“ Das zieht dem guten Alten Die Stirn’ auf’s neu’ in Falten; Er spricht halb ungehalten,
Halb aber noch im Scherz: „Ihr werdet mich nicht fragen, Doch wenn ihr’s könnt ertragen, Was hier die Leute sagen, So leg’ ich’s euch an’s Herz:“
„Er fischet nicht im Trüben, Mag Trunk und Spiel nicht üben, Treibt kein verbot’nes Lieben, Fürwahr, Er ist kein Vogt! O, laßt die Leute schmähen,
Sie werden’s nicht verstehen: – Ihr scheut das Kirchengehen! Fürwahr, ihr seyd ein Vogt!“
2. Er predigt’ immer länger, Er predigt’ immer strenger,
Da ward die Brust ihm enger, Da ward die Lung’ ihm krank; Bis daß er widerstrebend, Des Amtes sich begebend, Vom heißen Fieber bebend,
Auf’s Siechenbette sank. Er mußte lange liegen, Kein Schlummer mocht’ ihn wiegen, Der Trost ging ihm versiegen, Er lag so gar allein.
Es fingen die Gedanken Im Zweifel an zu wanken; Da stellte bei dem Kranken Des Vogts Besuch sich ein. Der naht sich seinem Bette
Rückt ihm die Lagerstätte, Greift Alles in die Wette Mit Magd und Diener an; Bringt labende Geschenke, Erfüllt die leeren Schränke
Mit Speis’ und mit Getränke, Und pflegt den kranken Mann.
So kommt und kommt er wieder, Und setzt sich zu ihm nieder, Indem er fromm und bieder
Manch tiefes Trostwort spricht; Aus seinem Munde quellen Die schönsten Bibelstellen; Von Thränen glänzt, von hellen, Des Kranken Angesicht.
Des Vogtes Worte riefen Die Hoffnungen, die schliefen, Des Glaubens tiefste Tiefen Aus seiner Seele Grund. Das Wort, das er, entzündet,
Vorlängst dem Volk verkündet, Verklärt, verherrlicht findet Er’s in des Trösters Mund. Das dringt in seine Säfte, Erneuert ihm die Kräfte,
Belebet das Geschäfte Der ringenden Natur. Jetzt heilt, was war verwundet, Was krank war, das gesundet, Und Trank und Speise mundet:
Vollendet ist die Kur. Die Frühlingsboten sangen, Da kam ihn zu umfangen Zum letztenmal gegangen Der Vogt, sein Trost und Hort.
„Ich ziehe meiner Gassen, Bin dieses Amts entlassen; Laßt eure Hand mich fassen: Gott sey mit eurem Wort!“ Der Pfarrer, tief sich neigend,
Auf seine Hand sich beugend, Dann auf die Brust sich zeigend, Auf die erstarkte, spricht: „O könntet ihr hier lesen, Wie sie sich fühlt genesen!
Wer ihr auch seyd gewesen: Ein Vogt, Herr! seyd ihr nicht!“
3. Jetzt predigt er so milde, Nach seines Meisters Bilde, Das Wort in dem Gefilde
Wuchs unter seiner Hand. Und Friedenstauben flogen, Und über wilden Wogen Erschien der Regenbogen: Der Feind zog aus dem Land.
Da trocknete die Zähre, Da reifte froh die Aehre, Da hub die gute Lehre Das müde Haupt in Kraft.
Den frommen Rath der Alten Sah man zu Stuttgart walten, Die Kirche sich entfalten Befreit aus langer Haft. Und wo durch’s Kriegestoben Sich eine Stimm’ erhoben,
Das laut’re Wort zu loben, Die hallt in aller Ohr. Drum, wo wer unbethöret In schwerer Zeit gelehret, Den rief man hochverehret
Vor allem Volk hervor. Da macht sich auf die Reise Zu seines Amtes Preise, Beschieden vor die Greise, Von Gutach unser Hirt:
Daß ihm gelohnet werde, Weil sich von seiner Heerde Trotz Jammer und Beschwerde Kein Schäflein hat verirrt. Er kommt mit Furcht und Beben;
Er hat in seinem Leben Nicht viel sich abgegeben Mit hoher Obrigkeit. Er will im Vorsaal bleiben, Da sitzen viel und schreiben;
Die Angst sich zu vertreiben Hat er da gute Zeit.
Die Diener lernt er kennen, Die hin und wieder rennen, Jetzt wagt er sich zu nennen,
Er will gemeldet seyn. „Seyd Ihr’s? Euch kann’s nicht fehlen! Ja, Herr, ihr dürft nur wählen, Euch steht, auf meine Seelen, Bei’m Brenz im Brett ein Stein!“
„„Bei’m Brenz? bei’m Probst und Rathe? Der Kirche Hort im Staate, Der drin in dem Senate Den hohen Vorsitz führt? Wann hat mich der gesehen?
Wie sollte das ergehen, Daß seines Geistes Wehen Mein niedrig Haupt berührt?““ Ein geht er zu der Pforten Mit solchen Zweifelsworten;
Doch wen erblickt er dorten? Ist auch sein Auge klar? In Seide, Sammt und Spitzen Mit gold’nem Kreuze blitzen, Zu oberst sieht er sitzen
Den Vogt von Hornberg gar! Der streckt mit Gruß und Segen, Wie alte Freunde pflegen, Die treue Hand entgegen: „Gelobt sey Jesus Christ!
Ihr habt wohl unterdessen Den Flüchtling gar vergessen, Der als ein Vogt gesessen Zu euren Füßen ist?“ „Ihr aber seyd mir theuer,
Getreulich dacht’ ich euer, Und eurer Worte Feuer Hat oft mich noch durchglüht; Wie kann man euch vergelten? Ihr seyd ein Hirte selten,
Zumal seit ihr mit Schelten Euch nicht vergeblich müht.“ „„Für Sorgen und Beschwerden,““ Spricht jener, „„kann auf Erden Kein größ’rer Lohn mir werden,
Als solches Mannes Wort. Jetzt geh’ ich ruhig schlafen; Und, wollt ihr mich nicht strafen, So laßt mich bei den Schafen Zu Gutach fort und fort!““
„„Wie will ich dort erzählen Den lieben, frommen Seelen, Will ihnen nicht verhehlen, Daß ihr den Vogt nicht logt. Ihr seyd, was ihr gewesen,
Zum Vogt seyd ihr erlesen; Ihr seyd, zu Trotz dem Bösen Herr Brenz! des Himmels Vogt!““
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:24 von 2rhyme
Autor: Gustav Schwab
Quelle: de.wikisource.org
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