Medizin (Andere Gedichte)
Medizinische Metaphern
Ich ging zum Arzt, weil der Zahn der Zeit an mir nagte.
Weil ein zahnloser Winter mich packte, mit beißender Kälte plagte.
Weil ich mir brechenden Auges schmerz- und lautlos den Kopf zerbrach.
Weil mir ein bloßer Gedanke durch den Kopf schoss und mir ins Auge stach.
Ich suchte blinden Auges die Zweigstelle meiner Bank auf dem Baum vor dem Hause.
Schweigend horchte ich auf das Klopfen meines Artischockenherzens voll Gebrause.
Dem Orthopäden winkte ich mit dem ausgetrockneten Flussarm zum Garaus.
Meinem Hausarzt streckte ich triumphierend meine feuchte Landzunge heraus.
Meine ganze Körperschaft fühlte sich öffentlich erst rechtlich an.
Ich suchte Erholung für meine geschundene Bauchwirtschaft nebenan.
Tauben Ohres hörte ich den Urknall, der das Universum lautlos erschüttert, nicht.
Mein Schmollmund öffnete sich zum armen Müllschlucker: Eintopfgericht.
Der Kardiologe fand das kalte Herz nicht, das ich auf der Zunge trug. Der Mund walkte.
Den Urologen ersäufte ich beim Wasserlassen, als er sich mit meiner Blase balgte.
Der Radiologe wurde durchsichtig, als er vorm Radio log, und meine Knochen lobte.
Der Chirurg verbrannte in dem leidenschaftlichen Feuer, das durch meine Adern tobte.
Ein Herz wie ein Stier! Fibröser Nebenbefund. Eingeschlafener Arm.
Dafür steifer Hals, kreuz- und lendenlahm, aber der Hintern ist warm.
Diagnose diffus. Verschreibung: einen Rollstuhl mit Krücken zum Rudern
Und zwischendurch auf der Massagebank bei der Bankmassage ein wenig herum ludern!
Jens Wohlkopf 2001
Eingetragen am 13.11.2011 22:41:06 von Federstilzchen
Autor: Jens Wohlkopf
Quelle: Eigenes Gedicht
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