Der Bodensee (Wessenberg) (Andere Gedichte)
Der Bodensee. Euch grüß’ ich, Uferfächer Des Bodensees, entzückt. Wie einen Freudenbecher Hat euch Natur geschmückt.
Gleich Hesperiden blühend, Lacht euer Zauberkreis, Im Schmelz der Farben glühend, Die Stirn’ im Gletschereis. Wohl manchen Sees Gestade,
Die Höhn um manche Bucht, An manchem Strom die Pfade Hab’ ich mit Lust besucht. Doch, gleich dem Morgensterne, Der stets erfreut den Blick,
Zog mich dein Bild von ferne, O See! zu dir zurück. Hier, wo ein hehrer Tempel, O Konstanz! dir entsteigt, Und weit umher den Stempel
Uralter Andacht zeigt; Hier werde froh begonnen Die schöne Sängerfahrt, Wo mit des Anschauns Wonnen Sich die Erinn’rung paart!
Von deinen grünen Wogen Fahr’ ich, o Vater Rhein! Gewaltig fortgezogen Den Untersee hinein. Die Schweiz seh’ ich zur Linken
Und rechts der Schwaben Land Einander freundlich winken, Füllhörner in der Hand. Indeß noch Silberstreifen Am Fuß der Berge ziehn,
Schon Lichter oben schweifen, Die röthlich golden glühn. Aufglänzt die Sonn’ – o Scene! Das Lied erstummt vor dir. Neigt tief euch, ihr Lorraine, *)[1]
Und alle Kunst vor ihr! Auf jener Insel dorten, Der edeln Reichenau, Erschloß Pirmin die Pforten Des Lichtes manchem Gau.
Bei jenen grauen Thürmen Der Mönche frommer Bund That mitten unter Stürmen Das Wort des Friedens kund. Hoch über den Gewässern
Ragt ein gethürmter Kranz Von alten, stolzen Schlössern, Erloschner Zeiten Glanz. Du Hohentwiel, vor allen Sinnbild von Heldenkraft,
Pflagst einst in Hedwigs Hallen Gesang und Wissenschaft. Jetzt, Steurer, sanft gelenket! Im Flug nach Meersburg hin, Auf Felsen unumschränket
Des Sees Beherrscherin! Fern glänzt das Schloß entgegen; Doch öde steht’s und leer. Kein Dalberg spendet Segen Aus diesen Fenstern mehr.
Welch hüglicht Feeneiland Enttaucht den Fluten dort? O Mainau, Rittern weiland Verdienter Ruhe Port! Wer fühlt die Brust da oben
Nicht göttlicher durchglüht, Wo er, der Erd’ enthoben, Frei Alles übersieht? O Heil’genberg, noch höher, Dem Sitz des Adlers gleich,
Dringt, wie das Haupt der Seher Dein Haupt ins Aetherreich. Wie hehr vor deinen Blicken Entrollt sich Land an Land Bis an der Eishöhn Rücken,
An grauer Fernsicht Rand! Gleich einem Circus heben Die Ufer sich – wie sanft! Mit Wiese, Hain und Reben Vom grünbebuschten Ranft.
Versteckt in Obstbaumwäldern Entdeck’ ich weit und breit Die Hütten zwischen Feldern Nachlässig hingestreut. Manch Dörfchen ruht entzückend
Der grünen Bucht im Schooß; Das Kirchlein, niederblickend, Bewacht sein stilles Loos. Auf heitern Bergesgipfeln Lacht manches schmucke Haus,
Und durch die Nacht von Wipfeln Schaut manches froh heraus. Schnell furcht, vom Dampf beflügelt, Mein Schiff den Schimmerpfad Hindurch die Flut, bespiegelt
Vom hangenden Gestad. Wie schwebt so hold, beim Reihen Der Freude, von den Höhn Der Vögel und Schallmeien Melodisches Getön!
Doch, o der Wandlung! Schweigen Dehnt schaurig jetzt sich aus. Gewitterwolken steigen; Schon hebt sich Windgebraus. O See, wie zieht dein Lächeln
In finstre Runzeln sich! So sanft bei Zephyrs Fächeln, Beim Sturm wie fürchterlich! Dich decket nächtlich Dunkel; Doch schäumend wirst du itzt
Zum sprühenden Karfunkel, So oft die Wolke blitzt. Des Donners Hall betäubet Der Windsbraut Wuthgeheul. Doch, wild von ihr zerstäubet,
Flieht Wolk’ auf Wolk’ in Eil. Und schon verliert das Brausen In ein Geflüster sich; Nur sanft erregt ein Krausen, O Wasserebne, dich.
Der Regenbogen stralet, Der, Berge streifend, mild Sich in den Wellen malet, Des Friedens Himmelbild. Vom Dämmrungsschein erhellet,
Hebt sich der Zauberkreis, Und am Gestad zerschellet Die Brandung roth und weiß. Wie sanft verklärt die Gegend Des Mondes Zitterglanz!
Wie schwebt, in ihm sich regend, Der Formen Wechseltanz! O See, dein Abendglänzen Malt mir das Frühlingsthor An dieses Lebens Gränzen
Zum Himmelsänger-Chor. Und singt einst meine Muse In Gottes Himmeln hoch, Sie denkt mit leisem Gruße An dich, froh zitternd, noch.
Dort neben der Capelle, Auf rebumkränzten Höhn, Wird Freundschaft eine Stelle Zum Grabe mir ersehn. Dann weht’s dem Freund der Reize,
Die liebend ich besang, Aus dem Gewind’ am Kreuze Wie ferner Liederklang. - ? *) Claudius Gelée, genannt Lorrain, der größte aller Landschaftsmaler.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:13 von 2rhyme
Autor: Ignaz Heinrich von Wessenberg
Quelle: de.wikisource.org
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