Mahomets Gesang (Andere Gedichte)
Seht den Felsenquell, Freudehell, Wie ein Sternenblick Über Wolken,
Nährten seine Jugend Gute Geister Zwischen Klippen im Gebüsch. Jünglingfrisch Tanzt er aus der Wolke
Auf die Marmorfelsen nieder, Jauchzet wieder Nach dem Himmel. Durch die Gipfelgänge Jagt er bunten Kieseln nach,
Und mit frühem Führertritt Reißt er seine Bruderquellen Mit sich fort. Drunten werden in dem Thal
Unter seinem Fußtritt Blumen, Und die Wiese Lebt von seinem Hauch. Doch ihn hält kein Schattenthal, Keine Blumen,
Die ihm seine Knie umschlingen, Ihm mit Liebesaugen schmeicheln: Nach der Ebne dringt sein Lauf Schlangenwandelnd. Bäche schmiegen
Sich gesellig an. Nun tritt er In die Ebne silberprangend, Und die Ebne prangt mit ihm, Und die Flüsse von der Ebne, Und die Bäche von den Bergen,
Jauchzen ihm und rufen: Bruder! Bruder, nimm die Brüder mit. Mit zu deinem alten Vater, Zu dem ew’gen Ocean, Der mit ausgespannten Armen
Unser wartet, Die sich ach! vergebens öffnen, Seine Sehnenden zu fassen; Denn uns frißt in öder Wüste Gier’ger Sand, die Sonne droben
Saugt an unserm Blut, ein Hügel Hemmet uns zum Teiche! Bruder, Nimm die Brüder von der Ebne, Nimm die Brüder von den Bergen Mit, zu deinem Vater mit!
Kommt ihr alle! – Und nun schwillt er Herrlicher, ein ganz Geschlechte Trägt den Fürsten hoch empor! Und im rollenden Triumphe
Gibt er Ländern Namen, Städte Werden unter seinem Fuß. Unaufhaltsam rauscht er weiter, Läßt der Thürme Flammengipfel, Marmorhäuser, eine Schöpfung
Seiner Fülle, hinter sich. Zedernhäuser trägt der Atlas Auf den Riesenschultern; sausend Wehen über seinem Haupte Tausend Flaggen durch die Lüfte,
Zeugen seiner Herrlichkeit. Und so trägt er seine Brüder, Seine Schätze, seine Kinder, Dem erwartenden Erzeuger Freudebrausend an das Herz.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:26 von 2rhyme
Autor: Johann Wolfgang von Goethe
Quelle: de.wikisource.org
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