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Gesicht im Spiegel (Gedanken)

Gesicht im Spiegel

Wer ist das da im Spiegel?
Kenne ich das Gesicht?
Ich erkenne mich darin nicht!
Verwittert wie ein alter Ziegel.

Ich komme mir nicht bekannt vor!
Was macht der Kerl in meiner Badestube?
Hinfort mit dir, du böser Bube.
Grinst frech von Ohr zu Ohr.

Und doch, erinnere ich mich dann,
der war es doch, der seinerzeit ..?
Oder bin ich doch nicht bereit?
Ein ferner Gedanke, der zerrann.

Ich muss es doch sein,
ich kenne mich doch!
Nur ein dunkles Loch,
ich falle mir selbst nicht ein!

Wann bin ich denn von mir gegangen?
Habe ich mich allein gelassen?
Von allen guten Geistern verlassen.
Von der Zeit erlegt und gut abgehangen?

Früher, ich weiß es, war ich ein Kind.
Neulich erst, da war ich doch jünger,
heute fühl ich mich Kompost, wie Dünger.
Wo all die Jahre und Haare geblieben sind?

Warum will ich mich nicht erkennen?
Wusste ich nicht gestern noch, wer ich war?
Meine Erinnerung an mich ist mir nicht klar!
Wer kann mir meinen Namen nennen?

Ich finde nirgends ein Bild von mir,
welches jenem im Spiegel ähnlich sieht.
Mir ist, als ob mein Bild vor mir flieht.
Bin ich selbst eigentlich noch hier?

Ich will nicht der sein, den ich sehe!
Mein Anblick ist mir fremd und zuwider.
Trotzdem sehe ich hin, wieder und wieder.
Ich drehe mich um und tu so, als ob ich gehe.

Ich fliehe vor dem, der ich bin.
Ich gehe weit fort von mir.
Mir ist, als ob ich gefrier.
Doch wo fliehe ich hin?

Ich bin meine eigene, leere Hülle!
Ich komme mir leer vor und ausgebrannt.
Mir ist so, als hätte ich mich nie gekannt.
Ob ich mich mit neuem Geist befülle?

Ob ich mich wohl neu beseelen lasse?
Wie man Schuhe neu besohlen lässt?
Ob ich mich fasse, oder der Tod mich fässt?
Das Hamsterrad meines Lebens ist eine Sackgasse!

Ich bin mir oft selbst Pein und Last,
lade mein Leben und mich auf eine Sackkarre,
so fahre ich mich selbst in Totenstarre,
hinab auf dem absteigenden Ast.

Ich will wieder ich sein, wie ich war, der von einst.
Der ich einmal war vor dieser bleiernen Zeit,
lebendig, fröhlich, streitbar, zu allem bereit!
Ich will wieder der sein, den Du zu kennen meinst!

Ich will mich wieder in mir selbst erkennen!
Es muss doch ein Vorwärts geben, ein Weiter!
Immer höher hinauf auf meiner Lebensleiter.
Ich will mich wieder selbst bei meinem Namen nennen.

Ich weiß es bestimmt: Ich bin!
Wer oder was ist doch einerlei.
Hauptsache: Ich bin dabei!
Mein Sein ist mein Sinn!

J.W. 2021

Eingetragen am 30.08.2022 11:10:51 von Federstilzchen
Autor: Jens Wohlkopf
Quelle: Eigenes Gedicht
Weitere Informationen unter:



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