Die gute, alte Zeit (Gedanken)
Die gute, alte Zeit
Die gute, alte Zeit, die nie gut war,
nie so gut, wie wir sie haben wollen.
Ehrlich: Sie hätte besser sein sollen!
Das wird uns nun langsam klar!
Unsere Erinnerung gaukelt uns nur vor,
dass es doch schöne Zeiten waren,
die Peinlichkeiten will sie uns ersparen:
Wir standen wie die Ochsen vor jedem neuen Tor!
Das Gedächtnis spielt uns Streiche!
Es lässt das Üble einfach weg.
Das dient ja einem guten Zweck!
Hat doch jeder im Keller seine Leiche!
Die Vergangenheit wird für uns verklärt.
Alles, was wir damals taten, war gerecht.
Nichts, was wir erinnern, war doch schlecht!
Es war alles richtig, nichts verkehrt!
Wir vergaßen alle unsere Sünden,
wir haben gar nichts zu bereuen,
unsre Taten müssen ’s Licht nicht scheuen,
das können wir voll Stolz verkünden!
Wir haben ein ganz und gar reines Gewissen,
sind froh uns an keine Schandtat erinnern zu müssen,
keine Sünde zu beichten, keine Bosheit zu büßen,
ach, wie gut ist dies sanfte Ruhekissen!
Unsere Weste ist blütenweiß und rein,
die Flecken auf unsere Seele sind unsichtbar,
unser ganzes Leben war einfach immer wunderbar,
sagt unsere Erinnerung, denn es darf ja nicht anders sein!
Nur gut, dass kein andrer weiß,
wie es damals wirklich war!
Was wir erzählen, das ist wahr!
Wie gut, dass ich Federstilzchen heiß’!
Federstilzchen 3/22
Eingetragen am 30.08.2022 10:40:53 von Federstilzchen
Autor: Jens Wohlkopf
Quelle: Eigenes Gedicht
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