Mein Geburtshaus (Andere Gedichte)
MEIN GEBURTSHAUS Der Erinnrung ist das traute Heim der Kindheit nicht entflohn, wo ich Bilderbogen schaute im blauseidenen Salon.
Wo ein Puppenkleid, mit Strähnen dicken Silbers reich betreßt, Glück mir war; wo heiße Tränen mir das ›Rechnen‹ ausgepreßt. Wo ich, einem dunklen Rufe
folgend, nach Gedichten griff, und auf einer Fensterstufe Tramway spielte oder Schiff. Wo ein Mädchen stets mir winkte drüben in dem Grafenhaus …
Der Palast, der damals blinkte, sieht heut so verschlafen aus. Und das blonde Kind, das lachte, wenn der Knab ihm Küsse warf, ist nun fort; fern ruht es sachte,
wo es nie mehr lächeln darf.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:27 von 2rhyme
Autor: Rainer Maria Rilke
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org
|