Mein Freund (Andere Gedichte)
Mein Freund. Als ich jüngst im Garten wandelte, Ward mir unverhoffte, tiefe Freude: Aus dem tiefen Dunkel wirrer Zweige Winkten mir zwei Blumen wie zwei Augen.
Näher trat ich, durchs Gebüsch mich zwängend – Sieh, im düst’ren Schatten alter Bäume, Fast erdrückt vom wuchernden Holunder, Stand ein armer Strauch der Alpenrose. Zwischen seinen krummen, mag’ren Ästen
Spann ihr feucht Gespinnst die ewige Nacht; Abgetrennt von Luft und Sommersonne, War er leidend Jahr um Jahr gewachsen; Doch aus Leidensnächten hob er Blüten, Starke, lächelnde, betränte Blüten,
Seines Ringens Ende, still empor. Und den Gärtner rief ich: „Diesem Strauche Gib den besten Platz in meinem Garten. Tu es bald – ich hab es ihm versprochen.“ Alle Wohner meines Gartens lieb ich,
Halm und Bäume, Frucht- und Schattensträucher; Doch mit diesem in des Abends Schweigen Sprech’ ich Worte wie von Mensch zu Mensch.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:27 von 2rhyme
Autor: Otto Ernst
Quelle: de.wikisource.org
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