Die Hochzeitsnacht (Eichendorff) (Andere Gedichte)
Die Hochzeitsnacht. Nachts durch die stille Runde Rauschte des Rheines Lauf, Ein Schifflein zog im Grunde, Ein Ritter stand darauf. Die Blicke irre schweifen Von seines Schiffes Rand, Ein blutigrother Streifen Sich um das Haupt ihm wand. Der sprach: „Da oben stehet
Ein Schlößlein über’m Rhein, Die an dem Fenster stehet: Das ist die Liebste mein. Sie hat mir Treu’ versprochen, Bis ich gekommen sey,
Sie hat die Treu gebrochen, Und alles ist vorbei.“ Viel Hochzeitleute drehen Sich oben laut und bunt, Sie bleibet einsam stehen,
Und lauschet in den Grund. Und wie sie tanzen munter, Und Schiff und Schiffer schwand, Stieg sie vom Schloß herunter, Bis sie im Garten stand.
Die Spielleut’ musizirten, Sie sann gar mancherlei, Die Töne sie so rührten, Als müßt’ das Herz entzwei. Da trat ihr Bräut’gam süße
Zu ihr aus stiller Nacht, So freundlich er sie grüßte, Daß ihr daß Herze lacht. Er sprach: „Was willst Du weinen, Weil alle fröhlich sei’n?
Die Stern’ so helle scheinen, So lustig geht der Rhein.“ Das Kränzlein in den Haaren Steht Dir so wunderfein, Wir wollen etwas fahren
Hinunter auf dem Rhein. Zum Kahn folgt’ sie behende, Setzt sich ganz vorne hin, Er setzt’ sich an das Ende Und ließ das Schifflein zieh’n.
Sie sprach: „Die Töne kommen Verworren durch den Wind, Die Fenster sind verglommen, Wir fahren so geschwind. Was sind das für so lange
Gebürge weit und breit? Mir wird auf einmal bange In dieser Einsamkeit! Und fremde Leute stehen Auf mancher Felsenwand,
Und stehen still und sehen So schwindlich über’n Rand.“ – Der Bräut’gam schien so traurig Und sprach kein einzig Wort, Schaut in die Wellen schaurig
Und rudert immerfort. Sie sprach: „Schon seh’ ich Streifen So roth im Morgen steh’n, Und Stimmen hör’ ich schweifen, Vom Ufer Hähne kräh’n.
Du siehst so still und wilde, So bleich wird Dein Gesicht, Mir graut vor Deinem Bilde – Du bist mein Bräut’gam nicht!“ – Da stand er auf – das Sausen
Hielt an in Fluth und Wald – Es rührt mit Lust und Grausen Das Herz ihr die Gestalt. Und wie mit steinern’n Armen Hob er sie auf voll Lust,
Drückt ihren schönen, warmen Leib an die eis’ge Brust. – Licht wurden Wald und Höhen, Der Morgen schien blutroth, Das Schifflein sah man gehen,
Die schöne Braut d’rin todt.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:34 von 2rhyme
Autor: Joseph von Eichendorff
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org
|