Michel nach dem März (Andere Gedichte)
So lang ich den deutschen Michel gekannt, War er ein Bärenhäuter; Ich dachte im März, er hat sich ermannt Und handelt fürder gescheuter.
Wie stolz erhob er das blonde Haupt Vor seinen Landesvätern! Wie sprach er – was doch unerlaubt – Von hohen Landesverräthern. Das klang so süß zu meinem Ohr
Wie mährchenhafte Sagen, Ich fühlte, wie ein junger Thor, Das Herz mir wieder schlagen. Doch als die schwarz-roth-goldne Fahn’, Der alt germanische Plunder,
Aufs Neu’ erschien, da schwand mein Wahn Und die süßen Mährchenwunder. Ich kannte die Farben in diesem Panier Und ihre Vorbedeutung: Von deutscher Freiheit brachten sie mir
Die schlimmste Hiobszeitung. Schon sah ich den Arndt, den Vater Jahn – Die Helden aus andern Zeiten Aus ihren Gräbern wieder nah’n Und für den Kaiser streiten.
Die Burschenschaftler allesammt Aus meinen Jünglingsjahren, Die für den Kaiser sich entflammt, Wenn sie betrunken waren. Ich sah das sündenergraute Geschlecht
Der Diplomaten und Pfaffen, Die alten Knappen vom römischen Recht, Am Einheitstempel schaffen – Derweil der Michel geduldig und gut Begann zu schlafen und schnarchen,
Und wieder erwachte unter der Hut Von vier und dreißig Monarchen.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:28 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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