Bei Eingange eines Neuen Jahrs (Andere Gedichte)
I. Bei Eingange eines Neuen Jahrs. O Wesen aller Wesen / Die gut und auserlesen / Der du den Weltpallast / Was oben / mitten / unden /
Auch drinnen wird gefunden / Aus nichts erschaffen hast. Dir ist bereit zu dienen Hoch an der Himmelsbühnen Das güldne Sternenheer /
Der Erden Feld dergleichen / So weit sie nur mag reichen / Darzu das tieffe Meer. Du bist der Herr und Meister So vieler tausend Geister /
Die deine kraft erschuff: Dir stehet zu gebotte Der Engel schnelle Rotte Auff eines wortes ruff. Der Himmel führt die Kreise
Nach ausgezielter weise Von deiner hohen Hand / So daß den schönen fakeln Das irren oder wakeln Auf ewig unbekant.
Du heißt die Sonne rennen / Das jahr daraus zu kennen / Auch muß das Liecht der Nacht Bald wachsen / bald verschwinden / Die Monat’ aus zu finden
Durch deiner Ordnung macht. Der Winter weicht dem Lenzen / Der Sommer kennt die grenzen / Die sie dem Herbste gab: So lösen alle sachen /
Die einen umlauff machen / Einander richtig ab. Herr Gott / wie deine stärke Und weisheit alle werke Ganz zierlich aufgestellt /
Also / du kwell der Güte / Umfanget dein gemühte Mit gnaden alle Welt. Die jahre zwar verfliessen / Wie schnelle ströme schiessen /
Wir führen gleichen schlag: Du aber bleibst bestehen / Wann tausend jahr’ hingehen / Ists bei dir kaum ein tag. Dein Tron steht ewig feeste;
Wir Erdensöhn’ und Gäste Sein nichts als unbestand / Wir sinken in dem schweben / Ja unser blödes Leben Ist nur des Todes pfand.
Der ringt nach hohen ehren / Der wil die habe mehren / Und jener strebt nach kunst; Doch was auf ganzer Erden Nur mag genennet werden /
Ist alles wie ein dunst. Wir rüsten uns zu leben / Und Clotho[1] schneidt es eben In dieser arbeit ab; Wir haben hier kein bleiben /
Die zeit wird vns vertreiben / Wir wallen in das grab. O eiteles beginnen! Der weise muß von hinnen / Der tohr muß auch daran /
Die Aerzte selber schwanken / Ein Jüngling kan erkranken Gleich wie ein greiser Mann. Was halffen Cäsars Kronen / Was Crassens Millionen /
Was Catons ernster fleiß? Sie seind dahin gefahren / Wo niemand von den schaaren Den weg zurüke weiß. Der Tod braucht seine Rechte /
Und fragt nicht nach geschlechte / Nach stande / macht und pracht / Ein Goldstük und ein Hader / Ein Bischoff und ein Bader / Sind bei ihm gleich geacht.
Wan nun der Leib verbleichet / Der matte Geist entweichet / Wo bleibt der Erdentand? Man überläßt ihn andern / Und muß entladen wandern /
Wohin uns kaum bekant. Herr / lehr’ es mich bedenken / Und mich darum nicht kränken / Was nur den Geist beladt: Laß mich mit klugen sinnen
Auch wenig lieb gewinnen / Was wenig bleibens hat. Laß hier vor allen dingen Mich nach der Tugend ringen / Dem schaze / der allein
Mir nimmer mag verderben / Ja der auch nach sterben Mir kan besizlich sein.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:05 von 2rhyme
Autor: Johann Grob
Quelle: de.wikisource.org
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