Der Reliquienschrein (Andere Gedichte)
DER RELIQUIENSCHREIN Draußen wartete auf alle Ringe und auf jedes Kettenglied Schicksal, das nicht ohne sie geschieht. Drinnen waren sie nur Dinge, Dinge,
die er schmiedete; denn vor dem Schmied war sogar die Krone, die er bog, nur ein Ding, ein zitterndes und eines, das er finster wie im Zorn erzog zu dem Tragen eines reinen Steines.
Seine Augen wurden immer kälter von dem kalten täglichen Getränk; aber als der herrliche Behälter (goldgetrieben, köstlich, vielkarätig) fertig vor ihm stand, das Weihgeschenk,
daß darin ein kleines Handgelenk fürder wohne, weiß und wundertätig: blieb er ohne Ende auf den Knien, hingeworfen, weinend, nicht mehr wagend, seine Seele niederschlagend
vor dem ruhigen Rubin, der ihn zu gewahren schien und ihn, plötzlich um sein Dasein fragend, ansah wie aus Dynastien.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:20 von 2rhyme
Autor: Rainer Maria Rilke
Quelle: de.wikisource.org
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