Almansor (Buch der Lieder 1827) (Andere Gedichte)
In dem Dome zu Corduva Stehen Säulen, dreizehnhundert, Dreizehnhundert Riesensäulen Tragen die gewalt’ge Kuppel.
Und auf Säulen, Kuppel, Wänden, Ziehn von oben sich bis unten Des Corans arab’sche Sprüche, Klug und blumenhaft verschlungen. Mohrenkön’ge bauten weiland
Dieses Haus zu Allahs Ruhme, Doch hat Alles sich verwandelt In der Zeiten dunkelm Strudel. Auf dem Thurme, wo der Thürmer Zum Gebete aufgerufen,
Hebt sich jetzt der Christenglocken Melancholisches Gesumme. Auf den Stufen, wo die Gläub’gen Das Prophetenwort gesungen, Zeigen jetzt die Glatzenpfäfflein
Ihrer Messe fades Wunder. Und das ist ein Drehn und Winden Vor den buntbemalten Puppen, Und das blöckt und dampft und klingelt, Und die dummen Kerzen funkeln.
In dem Dome zu Corduva Steht Almansor ben Abdullah, All die Säulen still betrachtend, Und die stillen Worte murmelnd: „O, ihr Säulen, stark und riesig,
Einst geschmückt zu Allahs Ruhme, Jetzo müßt Ihr dienend huld’gen Dem verhaßten Christenthume! „Ihr bequemt Euch in die Zeiten, Und Ihr tragt die Last geduldig; –
Ei, da muß ja wohl der Schwäch’re Noch viel leichter sich beruh’gen.“ Und sein Haupt, mit heiterm Antlitz, Beugt Almansor ben Abdullah Ueber den gezierten Taufstein,
In dem Dome zu Corduva.
II. Hastig schritt er aus dem Dome, Jagte fort auf seinem Rappen, Daß im Wind die feuchten Locken Und des Hutes Federn wallen.
Auf dem Weg’ nach Alkolea, Dem Guadalquivir entlange, Wo die weißen Mandeln blühen, Und die duft’gen Gold-Orangen; Dorten jagt der lust’ge Ritter,
Pfeift und singt, und lacht behaglich. Und es stimmen ein die Vögel, Und des Stromes laute Wasser. In dem Schloß zu Alkolea Wohnet Clara de Alvares,
In Navarra kämpft ihr Vater, Und sie freut sich mindern Zwanges. Und Allmansor hört schon ferne Pauken und Trommeten schallen, Und er sieht des Schlosses Lichter
Blitzen durch der Bäume Schatten. In dem Schloß zu Alkolea Tanzen zwölf geschmückte Damen, Tanzen zwölf geschmückte Ritter, Doch am schönsten tanzt Almansor.
Wie beschwingt von muntrer Laune Flattert er herum im Saale, Und er weiß den Damen allen Süße Schmeichelein zu sagen. Isabellens schöne Hände
Küßt er rasch, und springt von dannen; Und er setzt sich vor Elviren Und er schaut ihr froh in’s Antlitz. Lachend fragt er Leonoren: Ob er heute ihr gefalle?
Und er zeigt die goldnen Kreuze Eingestickt in seinen Mantel. Und zu jeder Dame spricht er: Daß er sie im Herzen trage; Und „so wahr ich Christ bin“ schwört er
Dreißig Mal an jenem Abend.
III. In dem Schloß zu Alkolea Ist verschollen Lust und Klingen, Herr’n und Damen sind verschwunden, Und erloschen sind die Lichter.
Donna Clara und Almansor Sind allein im Saal geblieben; Einsam streut die letzte Lampe Ueber beide ihren Schimmer. Auf dem Sessel sitzt die Dame,
Auf dem Schemel sitzt der Ritter, Und sein Haupt, das schlummermüde, Ruht auf den geliebten Knieen. Rosenöhl, aus gold’nem Fläschchen, Gießt die Dame, sorgsam sinnend,
Auf Almansors braune Locken – Und er seufzt aus Herzenstiefe. Süßen Kuß, mit sanftem Munde, Drückt die Dame, sorgsam sinnend, Auf Almansors braune Locken –
Und es wölkt sich seine Stirne. Thränenfluth, aus lichten Augen, Weint die Dame, sorgsam sinnend, Auf Almansors braune Locken – Und es zuckt um seine Lippen.
Und er träumt: er stehe wieder, Tief das Haupt gebeugt und triefend, In dem Dom zu Corduva, Und er hört’ viel dunkle Stimmen. All die hohen Riesensäulen
Hört er murmeln unmuthgrimmig, Länger wollen sie’s nicht tragen, Und sie wanken und sie zittern; Und sie brechen wild zusammen, Es erbleichen Volk und Priester,
Krachend stürzt herab die Kuppel, Und die Christengötter wimmern.
Eingetragen am 08.11.2011 09:32:58 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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