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An den Schlaf (Zerstreute Blätter) (Andere Gedichte)

  
               An den Schlaf.

     Gott des Schlafes, Freund der Ruh,
Dessen dunkle Schwingen
Uns in sanftem, süßem Nu
Zu den Auen bringen,

Die ein schöner Licht erhellt,

Wo in einer andern Welt
Harmonieen klingen.

     Freund der Menschen, holder Gott!
Unser halbes Leben

Ward, dem Ungemach zum Spott,

Deiner Hand gegeben.
Und sie herrscht im Reich der Ruh;
Purpurblumen lässest du
Auf uns niederschweben.

[69]
     Schönbekränzter Jüngling, sei

Sei auch mir willkommen,
Der so oft dem Sklaven treu
Seine Last entnommen,
Der die Fessel ihm zerschlug

Und durch neuen süssen Trug

Sein Gemüth entglommen.

     Meiner Hoffnung Flügel hebt
Sich nur noch in Träumen.
Du der sie mit Muth belebt,

Warum willt du säumen?

Komm mit deiner süßen Macht:
Laß, wie in der letzten Nacht,
Mich Verwandlung träumen.

[70]

     Denn seit Psyche niedersank

Aus des Himmels Auen,

Sehnt sie sich Aeonenlang
Wieder aufzuschauen;
Und dem Flügel, den sie regt,
Den sie, ach zerknickt! bewegt,

Mag sie nimmer trauen.


     Holder Schlaf, mit Deinem Thau
Heilst du ihre Schwingen,
Muthig auf zur Lebensau
In das Land zu dringen,

Wo in reinem süßem Ton – –

Augen sinkt! Ich höre schon
Harmonieen klingen.



Eingetragen am 08.11.2011 09:32:59 von 2rhyme
Autor: Johann Gottfried Herder
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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