Selbstzersetzung (Andere Gedichte)
Selbstzersetzung Hochheil’ge Gebete, die fromm ich gelernt, Ich stellte sie frech an den Pranger; Mein kindlicher Himmel, so herrlich besternt, Ward wüsten Gelagen zum Anger.
Ich schalt meinen Gott einen schläfrigen Wicht; Ich schlug ihm begeistert den Stempel Heillosen Betrugs ins vergrämte Gesicht Und wies ihn hinaus aus dem Tempel. Da stand ich allein im erleuchteten Haus
Und ließ mir die Seele zerwühlen Von grausiger Wonne, von wonnigem Graus: Als Tier und als Gott mich zu fühlen. Auch hab’ ich, den mördrischen Kampf in der Brust, Am Altar gelehnt, übernachtet,
Und hab’ mir, dem Gotte, zu Kurzweil und Lust Mich selber zum Opfer geschlachtet.
Eingetragen am 08.11.2011 09:35:00 von 2rhyme
Autor: Frank Wedekind
Quelle: de.wikisource.org
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