Im Kurpark von Wiesbaden (Kämpchen) (Andere Gedichte)
Im Kurpark von Wiesbaden. (Ein Stimmungsbild.) Hier, im Schatten der Plantane, Am klaren Weiher, in milder Mailuft Ruhe und raste ich. – Wie schmeichelnd umkost der Zephyr Stirn und Wangen mir,
Wie kühlend der Lufthauch vom Taunuswald. – Ein Kapua – weich, wohlig ist alles hier – Erde und Himmel. – Der zitternde Nervenstrang, verstimmt, mißhandelt vom Daseinskampf, Von der Hast des Erwerbens, vom schrillen Taglaut –
Glättet sich wieder. – Gesundung! Ruhe! – Gesundung! flüstern die Baumriesen, flötet die Nachtigall Und lispeln die unterirdischen Quellen, tief, tief im Erdbauch. Gesundung! Ruhe! – Wie Delos heiliger Hain, wie der singende Wald Merlins
Mutet’s mich an – o Schönheit! – Vergessen die Plage, vergessen der Schmerz. – Wandeln in lichten Räumen – funkelnd, prächtig – o Schönheit! – Und auch mir wird wohl – die müden Augen weiten sich wieder, Das Herz pulst frischer, das Ohr lauscht fernen Harmonien
Und die Seele träumt. – Träumt vom Zukunftshoffen, Vom Völkerfrieden, vom Glücke der Menschheit. – — — — — — — — — — — — — — — — — — — Wieder der singende Wald mit dem Liede der Drossel. Der Tag neigt zum Abend. – An mir vorbei flutet das Leben – buntfarbig, wechselnd –
Ein Kaleidoskop in immer neuer Gestaltung. – Ich sehe das Weib in allen seinen Stadien von Rasse und Schönheit – In seiner Vollendung an Leib und Seele und – In seinem Tiefgang, umflort vom Gifthauch der Sünde – Aber immer noch schön. –
Die blonde Tochter Albions, Frankreichs Sylphide Und das sonnenäugige Kind des Südens. – Schwarz- und goldhaarig – braun und rot – In allen Nuancen und Lichtern. – Asiens Vertreterinnen mit Mandelaugen und Bronzeteint,
Das Weib von der Newa und die feurige Sarmatin. – An mir vorbei flutet der Reichtum – goldstrotzend, Schimmernd von edlen Steinen – der Reichtum des Parvenüs. – Aber auch der andere – einfach, vornehm – Mit Geist und Wissen, und ohne Pomp. –
Ich sehe den Künstler mit wallendem Haar, Den Mann des Genusses und den ernstsinnenden Forscher. Ich sehe den Fahrstuhl mit seinem Inhalt an Leid und Menschenelend – Geschoben von den Händen des Mietlings im Taglohn. – Aber auch von Eltern- und Kindesliebe, und von der weichen,
Kosenden Hand der Gattin und der starken des Gatten. – Mann und Frau geh’n vorüber – alt, gebrechlich, sich stützend – Mit Runzeln und Greisenhaar – aber sich liebend am Lebensabend. – Genesung suchen die Kranken hier von den warmen Quellen, Von der sonnigen Luft und der Kühle des Taunus –
Genesung – und die Gesunden Genuß. – O prächtige Stadt! Der Tag geht zur Rüste. Einsam durchrudert ein Schwan den Waldsee – Fontänen stäuben Schaumperlen zum Himmel – Und durch dunkle Baumkronen blinkt das Abendrot. – Langsam erstirbt der Drossel Schlummerlied –
Ein Lufthauch vom Taunus – dann Ruhe, Ruhe – Und mählich dämmert die Nacht. –
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:06 von 2rhyme
Autor: Heinrich Kämpchen
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