In Flammen steh’n die Zinnen Rom’s (Andere Gedichte)
2. In Flammen steh’n die Zinnen Rom’s, in Flammen Die Tempel, Kapitol und Palatin – Die Angst schaart sich zum letzten Kampf zusammen, Doch unbarmherzig würgt der Tod sie hin;
Zerstampft von wüthenden Barbarenhorden Das einst so stolze Rom – geknechtet, siech, Zur Dirne roher Plünderer geworden, Im Schreckensbann des wilden Alarich! Wie rast und tobt und pfaucht durch alle Straßen
Die Sieges blinde, todesbrünst’ge Wuth – Der Römer Leichen thürmen sich zu Massen, In heißen Purpurlachen dampft das Blut; Nicht schont der Fuß des Kriegers mehr die Todten: Zur Brücke werden sie, darüber hin
Wie toll der jauchzende Triumph der Gothen Sich wälzt, zerstörungslüstern Faust und Sinn! Hier eine Feuersbrunst und dort Ruinen, – Erstürmter Pforten splitterndes Gekrach Längs ihres Bentezug’s und hinter ihnen
Der Hingemetzelten ersterbend Ach! Wie rasend schwelgt ihr Haß in blindem Morden, Doch auch ihr Glaube übt sich wuthentbrannt, Hinsinkt, zerstampft von den getauften Horden Manch’ schimmernd Götterbild aus Künstlerhand!
So wälzt der grause Strom sich immer weiter, Verheerend, unaufhaltsam, blutig, wild – In teilnahmsloser Bläue lächelt heiter Der Himmel über diesem Schreckensbild.... Noch fern’ den Gräueln aber, wo verlassen
Und preisgegeben die Subura winkt, Durchdröhnt ein hohler Ton die öden Straßen, Deß’ Echo seltsam aus der Tiefe dringt. Wer blieb hier dreist zurück und – tollkühn Wagen! Weß' Übermuth verräth noch, daß er’s that,
Nun Mord und Brand um Rom zusammenschlagen Und heulend, wahllos die Vernichtung naht? Und dennoch – sieh! Im letzten, kleinsten Hause Des öden Stadttheils, das in sich gekehrt Und feierlich wie eines Siedlers Klause
Gemeiner Schaulust keusch den Eintritt wehrt; Im sonn’gen Peristyl, deß’ Marmorschimmer Noch fern’ dem Graus der Flammen, silber-weiß Wetteifert mit des Mosaik’s Geflimmer – Kniet hochgeschürzt ein düst’rer Römer-Greis.
Zu seinen Füßen hat in Grabesweite Die Tiefe schauerlich sich ausgethan; Zerspellter Marmor häuft sich ihm zur Seite, Doch unermüdlich schafft sein Arm sich Bahn; Sein Antlitz glüht, die Schwärmeraugen lodern
Und keuchend ringt die greise Brust nach Luft – Wahnwitz’ger – willst du selbst darin vermodern? Für wessen Leichnam öffnest du die Gruft? Ha – und was birgst du unter jener Hülle, Die purpurn dort den Mosaik bedeckt?
Ist's eines Märchenschatzes gold’ne Fülle? Ein Mensch? Ein Feind, den du dahingestreckt? Da hält er ein: „Vollendet!“ tönt es bebend Von seinen Lippen, tief neigt er den Leib, Und facht die goldbefranste Decke hebend
Entschleiert er ein marmorn Götterweib! „Du bist’s, die schönheitsfroh einst der Hellene Erträumt – der Rom Altäre ausgebaut – O Lichtbild – Göttin – Anadyomene – Ambrosiadustend und nektarbethaut –
Noch einmal, eh’ ich dich dem Schooß der Erde Vertraue, lächle mir dein süßer Mund, Die Anmuth deiner himmlischen Geberde, Die heit’re Stirn, des Kinn’s entzückend Rund, Des lilienreinen Busens weiche Fülle,
Der Eros und die Grazien genährt, Der Form Mysterium uns ohne Hülle Gezeigt, und bis zur Göttlichkeit verklärt! O sieh, dein letzter Tempel ist gesunken Mit Hellas gold’ner, Rom’s gewalt’ger Zeit;
Im neuen Gotteshaus wird Blut getrunken Und murmelnd fleht man dort zur Häßlichkeit, Die krampf- und schmerzverzerrt die nackten Glieder Am rauhen Marterholz des Kreuzes reckt: Ein Sklavengott! Und doch, er warf uns nieder,
Sein finst’rer Schatten hat sich ausgestreckt Und hält nun grauenhaft das Licht gefangen, Sein Bild, sein Dulderantlitz hier und dort, Allüb’rall seiner Leiden grausig Prangen, Sein düst’res Priesterthum an jedem Ort!
In seinem Zeichen siegt des Feindes Tücke, In seinem Namen naht was roh und wild, Seit jener Cäsar an der milv’schen Brücke Zum ersten Mal sein blutig Kreuz enthüllt Und wider euch geführt, ihr lichten Götter –
An jenem Tag gab euer Zorn uns preis, Vergeblich schmachtet Rom jetzt nach dem Retter: Erniedrigt – in den Staub getreten.... sei’s! Du aber, Botin makelloser Schöne, Der frühe schon der Jüngling sich ergab,
Und nun der Greis, als letzter deiner Söhne Zum Tempel dir erschlossen dieses Grab Im Angesicht des nah’nden Todes – grolle, O groll’ ihm nicht, du Bild olymp’scher Lust, Wenn statt der Myrth’ er heut’ die harte Scholle
Dir wirft an die entblößte Götterbrust! Nicht soll der Fuß der Plünd’rer dich zertreten, Noch dich verdammen ihrer Priester Spruch – An’s Mutterherz der Erd’ will ich dich betten, Dort ruh’ mit dir des letzten Römers Fluch,
Um siegreich einst mit dir zu auferstehen, Denn kommen wird – ich ahn’s voll Seligkeit – Die Stunde des Triumphes, da in Wehen Das Menschenthum nach eurem Zauber schreit, Ihr einst verlass’nen Zeugen höchster Schöne,
Verklärte Sonnenkinder der Natur – Im Staube wird der Undank eurer Söhne Noch suchen nach dem Golde eurer Spur! Und dann – ersteht! heraus aus euren Grüften Olympier, mit siegender Gewalt,
Geküßt vom Licht, umschmeichelt von den Lüften Italia’s die blühende Gestalt; Mit heit’rer Stirn und unverhüllter Lende, So keusch und frei wie jene, die euch schuf: Natur, der ich auch dich jetzt wiedersende,
Bis euch befreit der Menschheit Sehnsuchtsruf! Dann wird man prächt’ge Tempel euch erbauen Und zu euch wallen wie in alter Zeit; Und ihr – ihr werdet lächelnd niederschauen Wie einst! Aufblüht dann wieder wahnbefreit
Des Daseins Lust in Formen und Gestalten, Und wenn auch nicht im Gotteshaus – im Reich Des Schönen wird das alte Hellas walten, Und bilden wird der Mensch nur, was euch gleich – Dein Lächeln, Göttin, nehm’ ich d’rauf zum Pfande!
Und jetzt – hinab! – Verzeih’ o herrlich Weib, Daß meine flieh’nde Kraft dich nun in Bande Gelegt, um unversehrt den heil’gen Leib In dieses Grabes Tiefe zu versenken....
Es ist vollbracht! Da horch – o horch! welch’ Schrei’n? Schon muß der Feind hieher die Schritte lenken! Darum – vergieb es! füg’ ich Stein an Stein Und Platt’ an Platte jetzt, wie sie gelegen, Und wölbe dir die Gruft zur Nische ein –
Leb’ wohl.... nein, nimm noch diesen Blüthensegen Ins dunkle Grab: er hat Rom’s Sonnenschein Und meinen Thränenthau in sich getrunken! Und nun die letzte Platte zu! Verwischt Die letzte Spur – – – ha, seh’ ich Rosen? Funken?
Wo bin ich? Hellas – Rom?“ Sein Aug’ erlischt.... Es lacht ihr Bild mit heit’ren Grübchenwangen In Rom noch heut’ dir seinen Zaubergruß, Darunter kündet gold’ner Lettern Prangen:
„Benedictus. Papa. Pontifex. Maximus.“ –
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:08 von 2rhyme
Autor: Marie Eugenie Delle Grazie
Quelle: de.wikisource.org
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